Die lang erwartete Konferenz von Bea Johnson in Pully (Lausanne). Die ZeroWaste Lifestyle Botschafterin Bea ist Französin und lebt in San Francisco. Sie sprach von ihrem Minimalisten-Lebensstil, ihrer Familie und dem Wohlempfinden, dank der engagierten Umsetzung von Zero Waste. Ein erfüllteres Leben, meinte sie, weniger Gegenstände besitzen und weniger Konsum generell, helfen Zeit zu gewinnen und das Leben intensiver zu erleben.
Der Verein ZeroWaste Switzerland hatte die Ehre sie bei einem kurzen Interview näher kennenzulernen.
Hello Bea, für die Leser, welche Dich noch nicht kennen, könntest Du Dich vorstellen und kurz erklären weshalb Du hier bist?
Ich bin Bea Johnson, Autorin vom Blog und Buch „Zero Waste Home“ (erhältlich in Französisch und Englisch) und seit 2008 produziert meine 4-köpfige Familie nicht mehr als einen Liter Abfall pro Jahr. Dieses Jahr konnte ich den Abfall sogar in ein 500 ml-Glas stopfen! Aber Achtung, nicht öffnen, da dieses sonst explodiert! Ich habe alles hineingestopft und der Abfall wiegt total 183 g!
Um dieses Ziel von einem Glas Abfall pro Jahr zu erreichen, befolgen wir ganz einfach die 5 folgenden Regeln:
Wir verweigern, was wir nicht brauchen, wir reduzieren was wir nicht brauchen, wir verwenden mehrfach, ersetzen Wegwerfartikel durch eine wiederverwendbare Alternative und kaufen Occasion; dann recyceln wir, was wir nicht verweigern, reduzieren oder wiederverwenden können und am Schluss kompostieren wir den Rest!
Wenn man also die Regeln in dieser Reihenfolge anwendet, sehr wichtig: in der vorgegebenen Reihenfolge, dann kann man seinen Abfall fast vollständig abbauen.
Danke, Du bist also heute in Pully und gibst diese Konferenz, um der Bevölkerung Deinen ZeroWaste Lifestyle zu erklären und zu sensibilisieren.
Kannst du uns mehr zu deiner „Bulk-App“ sagen?
2011 habe ich einen grossen Umweltpreis gewonnen und diesen in eine gemeinnützige App investiert. Damals gab ich bereits weltweit Vorträge und wo ich auch hinging, fragten mich die Leute, wo man denn unverpackte Läden in ihrer Nähe finden kann. Ich gab die Antwort, dass es den Offenverkauf überall gibt, es genügt die Augen zu öffnen. Bei mir ist es so, wenn ich in ein Geschäft trete, sehe ich die Verpackungen gar nicht mehr, ich sehe nur was mir unverpackt zur Verfügung steht.
Ich fand es aber trotzdem wichtig, eine App zu entwickeln, um den Leuten zu helfen die unverpackt-Läden in Ihrem Umfeld einfacher zu finden.
Diese App hatte nicht nur hohe Entwicklungskosten, aber ich musste auch erkennen, dass alle Updates der beiden Apps (Android und Apple) jedes Mal ein Vermögen kosten. Leider ist die App heute veraltet und muss dringend aktualisiert werden mit dem Risiko, dass wir alle darin enthaltenen Daten verlieren. Heute zählen wir 10’000 App-Benutzer, welche 3’000 Läden gespeichert haben, es gibt sogar Läden in Ägypten!
Wir haben 5’000 $ selber investiert, und die Idee die ZeroWaste Gemeinschaft, um Hilfe zu fragen, kam von meinem Mann. Wir werden im Januar 2016 eine „Crowd-Founding“ Aktion starten, die unserer Bulk-App das Überleben erlauben wird. Danach hängt es natürlich auch von der Höhe der erhaltenen Summe ab, um neue Funktionen und eine Webseite zu entwickeln, um die Läden auf einer Karte abzufragen.
Du bist schon seit 3 Wochen auf Europatournee, wie hast du ZeroWaste auf deiner Reise im Griff?
Ich habe immer ein Stoffsäckchen bei mir, mit welchem ich ein Sandwich, ein Gipfeli oder ein Gebäck kaufen kann. Ich habe auch eine Thermos für kalte oder heisse Getränke.
Meiner Meinung nach ist „Essen gehen“ wie auch „Kaufen“, wie Abstimmen. Wenn man in einem Fast-Food Restaurant isst, wird die Nachfrage dieser Art des Konsums verstärkt. Im Gegensatz dazu, stärkt man in einem Restaurant mit „echten“ Tellern, „echtem“ Besteck und Gläsern geht, diese Art von Essen mit wiederverwendbaren Utensilien.
Wenn ich mit dem Flugzeug reise, esse ich immer vor dem Abflug – seien wir ganz ehrlich – wer mag schon die Verpflegung an Bord? Durch das Ablehnen solcher Mahlzeiten, wird eine Nachfrage für andere Optionen kreiert.
Es gibt schliesslich schon andere Kost, wie vegetarisch, Gluten frei, usw., wieso also nicht eine Option „ohne Mahlzeit“? Ich esse immer vorher! Am Ankunftsort esse ich dann entweder im Hotel nach meinen Prinzipien oder bei Freunden. Dortrespektiere ich DEREN Lifestyle und esse was vorgeschlagen wird (und profitiere wieder einmal Pommes-Chips zu essen, denn das ist ein Produkt, das es bei uns nicht im Offenverkauf gibt!). Oder ich miete eine Wohnung.kaufe Produkte im Offenverkauf ein und benutze, wenn nötig die Bulk-App.
Es gibt Momente von Unsicherheit oder Frust, wenn man den ZeroWaste Lifestyle annimmt …
Nein, die Frustration gibt es eigentlich nur am Anfang. Es stimmt, am Anfang wenn man beginnt sein Konsumverhalten zu ändern und sich auf seinen eigenen Abfall konzentriert, sieht man auch den Müll der anderen! Man sieht die Plastiksäcke am Boden, die Wegwerfbecher, PET-Flaschen usw. Das war bei mir auch so, ich kritisierte die anderen und sagte mir „wieso bemühen sich nicht alle wie ich?“.
Nach und nach, habe ich den ZeroWaste Lifestyle angenommen, Stufenweise, soviel wie für mich ging und habe dann Frieden gefunden. Heute kritisiere ich die Anderen nicht mehr, ich war ja vor nicht allzu langer Zeit nicht besser was mein Konsumverhalten betrifft!
Sie hatten den Auslöser noch nicht aber eines Tages aus irgendeinem Grund werden sie diesen Auslöser haben!
ZeroWaste wird aus verschiedenen Gründen angenommen. Heute sag ich mir einfach, was ich mache kann die Leute inspirieren, ihnen Ideen geben ohne sie zu verurteilen.
Welchen Ratschlag würdest Du geben, wenn man am Anfang Schwierigkeiten hat mit seinem neuen Lebensstil?
Vielleicht ging man es zu schnell an, in diesem Fall sollte man das Problem genau anschauen und versuchen verschiedene Lösungen zu finden. Zum Beispiel, das Natron/Bikarbonat auf der Zahnbürste, dafür braucht’s natürlich eine Anpassung in mehreren Etappen, als Zwischenetappe kann man z.B. etwas Stevia einmischen. Das Schwierigste bei ZeroWaste ist sein Gleichgewicht zu finden und sich der Umstellung anzupassen. Wenn man das Gleichgewicht gefunden hat, erlebt man absolute Freude und Glück und das ist übrigens das Schlusswort meiner Konferenz.
Welche Momente waren die schwierigsten in Deinem Abenteuer?
Sich der Öffentlichkeit auszusetzen und die daraus entstehenden Kritiken, sind hart. Viel Kritik kommt von Personen die Veganer sind, sie schreiben Briefe und schicken sie per Post. Eine Person musste sogar aus einer meiner Konferenzen begleitet werden. Die Kritik ist oft sehr böswillig, obwohl ich meinerseits die anderen Lebensstile respektiere, sie meinen aber nicht. Das Schlimmste ist die Öffentlichkeit. Dies öffnet die Türen für Bemerkungen, die nicht sehr angenehm noch konstruktiv sind. Meist von Personen, die den ZeroWaste Lifestyle nicht verstehen und Vorurteile haben wie z.b. „sie wohnt sicher auf dem Land, mit haarigen Beinen, sie hat den ganzen Tag um sich um Abfall zu kümmern oder Produkte herzustellen, sie arbeitet ja nicht“ – das ist aber überhaupt nicht der Fall!
Ist es vorgesehen Dein Buch auf Deutsch zu übersetzen?
Mein Buch auf Deutsch zu übersetzen wäre genial. Während meinen Konferenzen in Deutschland habe ich eine echte Begeisterung des Publikums gespürt!
Leider hängt das nicht von mir, sondern von meinem Verleger ab, der eine Nachfrage von Seiten des deutschen Publikums erhalten sollte. In Japan lief dies so: dank dem ZeroWaste Lifestyle fand einer meiner Leser sein Leben so positiv verändert, dass er ein Kapitel des Buches selber übersetzte und eine Anfrage bei einem japanischen Verleger hinterlegt hat. Und es hat funktioniert!
Zum Schluss, welche kuriose Frage hat man Dir schon gestellt?
(Sie lacht) Mich überrascht heute nichts mehr! Nein ehrlich, wenn ich Konferenzen in Schulen mit jüngeren Kindern gebe, die in ihrem Leben nur Wegwerfprodukte gekannt haben, gibt es ein paar lustige Fragen. Es hat mich einmal ein Kind über den Gebrauch von Taschentüchern aus Stoff ausgefragt, es dachte, dass ich sie nach Gebrauch kompostiere und war fassungslos als ich ihm erklärte, dass ich sie wasche! Dies zeigt, dass einige Kinder keine Alternativen zu den Wegwerfartikeln kennen, was sehr schade ist.
3. Dezember 2015